Die Idee für eine Zahlenmauer stammte von Trainer*innen aus den Sprachtrainings. "Wir hätten gerne einen Ort, um über Zahlen und Sprache zu diskutieren", teilten sie uns mit. Und so entwickelte sich aus der Idee eine kleine grüne Mauer, welche hinter Haus 2 nicht unweit des Bienenhauses am Campus Kottenforst gelegen ist. Diese Mauer kann zum einen Trainer*innen als Tool dienen auf den Zusammenhang von Sprache und Zahlen in ihren Trainings aufmerksam zu machen. Die Zahlenmauer lädt allerdings auch Ausreisende dazu ein entweder gemeinsam oder auch alleine durch die Welt der Zahlen zu reisen, verschiedenste Konzepte von Sprache, Kultur und Zahlen zu erforschen und interessante Dinge zu lernen.
Mit Zahlen und Sprichwörtern um die Welt
Sprichwörter entstehen meist über die Zeit und haben oftmals regionale Bedeutungen. Sie sind metaphorische Äußerungen mit oftmals etwas versteckten Bedeutungen und Weisheiten dahinter. Gerade weil ein Sprichwort traditionelle und volkstümliche Ursprünge besitzt, gibt es auf der Welt unzählige Sprichwörter, welche oft die Perspektiven und Weltanschauungen der Menschen repräsentieren. Hier auf dieser Zahlenmauer abgebildet findest du insgesamt 7 Sprichwörter aus aller Welt, in denen Zahlen eine besondere Rolle spielen.
Die folgenden Sprichwörter sind auf der Zahlenmauer abgebildet. Vielleicht findest du Parallelen zu den Sprachen, die du beherrscht?
Sprache
Sprichwort (Original)
Sprichwort (Deutsch)
Wörtliche Übersetzung
Portugiesisch (Brasilien)
Quero conhecer os quatro cantos do mundo
Ich möchte die ganze Welt kennenlernen.
Ich möchte alle vier Ecken der Welt kennenlernen.
Mooré
Nisaal yaa wè, ka ta piig ye
Kein Mensch ist perfekt/ allwissend.
Der Mensch ist 9, er erreicht nicht 10
Laotisch
3 ມື້ດື 4 ນື້ໃຂ້
Mal so, mal so (Verdeutlichung der Unentschlossenheit)
3 Tage gut, 4 Tage krank.
Russisch
один за всех, все за одного
Einer für alle, jeder für einen.
Einer für alle, jeder für einen.
Arabisch
عشرة على عشرة
Glatte Eins
Zehn von Zehn
Vietnamesisch
Một nụ cười bằng mười thang thuốc bổ
Lachen ist die beste Medizin.
Ein Lachen entspricht zehn Dosen Medizin.
Swahili
Samaki mmoja akioza, huoza wote
Ein krankes Schaf verdirbt die ganze Herde.
Wenn ein Fisch verrottet, verrotten sie alle.
1, 2 und viele?
Schon von klein auf lernen wir Zählen, wir nutzen Hilfsmittel wie den Abakus, vielleicht sogar einen Taschenrechner und lernen das Einmaleins auswendig. Zählen ist schwierig und das, obwohl jedem Objekt lediglich ein Wort zugeordnet wird. Wir können Strichlisten machen oder komplizierte algebraische Gesetze verwenden: die Zahlenwelt ist unendlich. Wer die Mathematik erfunden hat weiß keiner so genau, vermutlich ist es ein Gemeinschaftsprodukt vieler Kulturen dieser Erde. Und doch sind Zahlen abstrakte und kulturell geprägte Konstrukte. Dies wird am Beispiel des Zahlenkonzeptes des Pirahā-Stammes (Papua-Neuguinea) deutlich, welches ausschließlich drei Worte umfasst: eins, zwei und viele. Wie wir zählen, beeinflusst uns, unser Denken und vor allem unsere Lebensrealitäten.
Falls dich dieses Thema interessierst, findest du unter diesen Links weiterführende Informationen:
Zeige mit deinen Fingern die Zahl drei! Fällt es dir leichter die Zahl mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger darzustellen? Oder streckst du lieber den kleinen Finger, Ring- und Mittelfinger empor? Vielleicht zählst du auch ganz anders? Unser Körper ist ein wahrer Taschenrechner und man kann ihn auf ganz unterschiedliche Weise nutzen. Man kann beispielsweise jeden Finger als eine Einheit, also als „1“ zählen und hat damit ein prima Zählsystem basierend auf 10. Nutzt man allerdings die jeweiligen Abschnitte der Finger (den Daumen ausgenommen) kommt man auf ein Zählsystem basierend auf 12. Man kann natürlich auch die Fußzehen und Daumen dazurechnen, dann kommt man auf die Basis von 20. Manche Kulturen nutzen auch ihren ganzen Körper, um Zahlen zu visualisieren. Dies hat natürlich auch Einfluss auf die Sprache. Nicht umsonst bezeichnet im Englischen „Digit“ sowohl „Finger“, als auch „Zahl“. Unser Körper kann selbstverständlich viel mehr als nur Zählen, manche Menschen kommunizieren ausschließlich über Handzeichen und Gesten. Will man beispielsweise in der Gebärdensprache Zahlen kommunizieren muss man die Regeln kennen, denn kleinste Unterschiede in den Gesten vermitteln ganz andere Botschaften. Falls dich das Thema interessiert und du mehr über das „Fingerzählen“ in diversen Kulturen lernen möchtest, schau gerne unter diesen Links:
Das Universum der Zahlen ist riesig. Und entsprechend ist der Vokabelkoffer in vielen Sprachen ebenso groß, denn jeder Zahl muss schließlich auch ein Begriff beigemessen werden. Einige Sprachen haben sich allerdings die Zahlen selbst und vor allem die Mathematik zunutze gemacht, um eben dieses Problem etwas zu minimieren. Wieso unzählige Zahlenwörter entwickeln, wenn man eine Zahl doch auch prima als kleine mathematische Rechnung repräsentieren kann? Im Französischen beispielsweise nutzt man statt einem Begriff für „80“ die Rechnung „4 mal 20“. Für Sprachlernende mögen diese teils hochkompliziert anmutenden Rechnungen zunächst etwas umständlich erscheinen, doch soll Kopfrechnen ja bekanntermaßen das Gehirn trainieren. In der Tat scheint die Sprache, die wir lernen, auch Einfluss auf unser mathematisches Verständnis und Lösungsansätze zu haben. Fallen dir noch andere Sprachen ein, in denen viel gerechnet wird?
Sonne, Mond und Sterne?! Das Konzept von Datum und Zeit
Für viele
Menschen repräsentiert die Zahl 365 etwas ganz Eindeutiges, denn für sie
repräsentieren 365 Tage genau ein Jahr. Aber nicht überall wird so gerechnet.
Zahlen spielen eine entscheidende Rolle, wenn es um Jahreszahlen und
Jahreszeiten geht, doch nutzen verschiedene Kulturen dieser Erde verschiedene
Zähl- und damit auch Kalendersysteme. Während der gregorianische Kalender 365
Tage im Jahr umfasst, zählt beispielsweise der in Indonesien verbreitete Pawukon Kalender 210 Tage. Viele Kalendersysteme orientieren sich dabei an dem Mondlauf (= Lunarkalender),
oder an dem Sonnenlauf (= Solarkalender), welche eng mit den immer
wiederkehrenden Jahreszeiten verknüpft sind.
Auch das
Sprichwort „hier ticken die
Uhren anders“ kommt nicht von ungefähr – und dabei ist nicht die Rede von
Zeitverschiebung. Nicht überall beginnt der Tag mit der „ersten Stunde“ um
Mitternacht. Die Swahili-Zeitrechnung beispielsweise ist um 6 Stunden nach
hinten verschoben, dort bezeichnet 6 Uhr das, was andernorts als Mitternacht
bekannt ist und 7 Uhr wird mit 1 Uhr bezeichnet - die erste Stunde nach Sonnenaufgang. Es ist essenziell sich zu vergegenwärtigen, dass kulturelle, religiöse, aber
auch geografische Begebenheiten Einfluss auf unser Verständnis von Zeit (und
Zahlen) haben. Falls du mehr darüber wissen möchtest, findest du hier
weiterführende Links - oder schau doch mal im 1. OG des Hauses 2 bei der Zeitentafel vorbei:
Zahlen dienen
nicht nur dem Rechnen und der quantitativen Repräsentation von Dingen, sie
repräsentieren auch Werte, Geschichten und Mythen. Dabei hat jede Kultur ihre
eigenen Sagen und Bedeutungen, die sie bestimmten Zahlen zuschreibt. Während
die Zahl „13“ vielerorts als echte Unglückszahl gilt, gilt diese Zahl
beispielsweise in Italien als Glückszahl. Der Glaube an die Bedeutung von
Zahlen kann so weit gehen, dass in Flugzeugen bestimmte Sitzplatznummern nicht
existieren oder die Nummerierung von Stockwerken in Aufzügen eine vermeintlich unheilvolle Zahl
überspringt. Ein Blick in die Bedeutung rund um Zahlen kann also einen
interessanten Einblick in die Mythologie verschiedener Kulturen geben. Und wer
weiß schon, ob wirklich alles Aberglaube ist…?
Wenn dich das
Thema interessiert, gibt es hier zusätzliche Informationen:
Auf der Welt gibt
es eine schier unzählige Menge an unterschiedlichen Schriften und entsprechende
Schriftregionen. Angefangen von Ostasien, welches von der chinesischen,
japanischen und koreanischen Schrift geprägt ist, über den Nahen Osten, in dem
die Keilschrift, die hebräische Schrift und arabische Schrift ihren Ursprung
hat, bis nach Europa, wo unter anderem die griechische und lateinische Schrift
genutzt wird. Dies sind natürlich nur Beispiele für Schriftsysteme, die Liste
ist noch viel länger. Schriftsysteme und die dazugehörigen visuellen Darstellungen
von Zahlen haben alle ihre ganz eigenen Charakteristiken - während einige eher
symmetrisch und kantig wirken, sind andere viel runder und schnörkelig. Auch
die Leserichtung unterscheidet sich. Während einige Schriften und Zahlen von
links nach rechts gelesen werden, liest man andere von rechts nach links.
Genauso wie
Kulturen, verändern sich auch Schriftsysteme über die Zeit. Einfluss nehmen
Religion und Wissenschaft, aber auch Gesellschaft und der alltägliche Sprachgebrauch.
Beispielsweise steht die heute im Deutschen verwendete Schreibweise in großem
Kontrast zur altdeutschen.